Allgemein Textschnipsel

Halloween-Kurzgeschichte 1/4

28. Oktober 2020

Liebe Freund*innen des Grusels,

Halloween steht vor der Tür. Höchste Zeit also, sich ein bisschen in Stimmung zu bringen. Packt eure Totenkopfkerzen und Lakritzspinnen aus und fürchtet euch mit uns! Teil 1 unserer Kurzgeschichten-Reihe komplett exklusiv für euch, ihr kleinen Geisterjäger …

 

Wie oft schon hatte Herr von Isenborth den Tag verflucht, an dem der Schlossverwalter seines Vaters angerufen und ihn über dessen Tod unterrichtet hatte.

Nicht etwa, weil ihm sein Vater viel bedeutet hätte, ganz im Gegenteil. Sein Tod war nicht das Problem, nein … vielmehr das, was er mit sich gebracht hatte. Herr von Isenborth hatte geglaubt, er könne das Schloss verkaufen, ordentlich Geld einsacken und sein restliches Leben in einer Villa am Meer genießen. Aber wer hätte ahnen können, wie schwer es war, ‚mal eben‘ ein altehrwürdiges Schloss an den Mann zu bringen?!

Der Schlossverwalter war dabei keine große Hilfe gewesen! Dass er seinen alten Herren hatte auf dem Friedhof beisetzen lassen, war auch schon das Einzige, was dieser Nichtsnutz zu Stande gebracht hatte.

Alles musste man selbst machen, dachte Herr von Isenborth grimmig, als er in seinem glänzend schwarzen Mercedes das Ortsschild der Gemeinde passierte, an deren Rand das Schloss seines Vaters stand.

Er hasste dieses verschlafene Kaff, hatte es immer schon gehasst. Welch eine Freude es ihm gewesen war, diesen Ort hinter sich zu lassen. Weg von dieser Einöde, weg von den verschrobenen Dörflern und vor allem: weg von seinem furchtbaren Vater.

„Home Sweet Home …“, murrte er. „Immer noch dasselbe hässliche alte Ding!“

Die Haare an seinen Armen stellten sich auf. Hinter ihm war das große Eisengatter kreischend zugeschwungen.

Herr von Isenborth ließ seine Augen über den weitläufigen Englischen Garten schweifen, die getrimmten Hecken und den Seerosenteich. Wie oft hatte er auf der Bank am Teich Zuflucht gefunden, wenn sein Vater wieder einmal Trost am Boden seines Whiskeyglases gesucht hatte.

Ein Tropfen zerschellte an der Frontscheibe seines Wagens. Verdrossen schaute er in den schwarzgrauen Himmel.

„Scheißwetter!“, fluchte er und fuhr sich durch die zurückgekämmten Haare.

Ein letztes Mal betrachtete er sein Ebenbild im Rückspiegel, atmete tief durch und stieg aus. Von der zufallenden Autotür aufgeschreckt, stob eine Schar Krähen krächzend vom Boden auf. Fast hätte man meinen können, sie lachten ihn aus.

„Scheißviecher!“

Etwas am Boden, wo bis eben noch die schwarzen Vögel gesessen hatten, erweckte seine Aufmerksamkeit. Herr von Isenborth trat näher. Der große rostrote Fleck jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Seufzend sah er zum Turm auf. Kein Zweifel, das musste der Ort sein, an dem sein Vater–

Was war das!? Er zuckte zusammen. In einer der oberen Etagen war ein Schatten am Fenster vorbeigehuscht. Er hatte es genau gesehen. Verdammter Mist! Hatte der Verwalter nicht gesagt, er sei nicht da?

Ohne das Fenster aus den Augen zu lassen, kramte Herr von Isenborth sein Handy aus der Manteltasche und drückte Wahlwiederholung.

„Ja, ich bin es. Ich dachte, Sie seien nicht anzutreffen … Sonst ist keiner im Haus? Ganz sicher? Nein, schon gut… Sie brauchen niemanden anzurufen … Wahrscheinlich nur eine Täuschung … Ja, ich weiß … Es ist schon spät … Auf Wiederhören!“ Er klappte das Handy zu und rümpfte die Nase.

„Dann bringen wir es mal hinter uns …“, murmelte er und warf einen letzten Blick zu dem Fenster hoch, bevor er die Steintreppen zum Eingang hinaufschritt.

 

Im Innern des Schlosses wurde er von dem modrig-muffigen Geruch der Vergangenheit begrüßt. Seine längst verstorbene Verwandtschaft blickte abschätzig von den Gemälden auf ihn herab. Die Möbel in der Eingangshalle waren mit weißen Laken zugedeckt.

Enerviert stellte Herr von Isenborth fest, dass die große Standuhr, die ihm als Kind so manch schlaflose Nacht beschert hatte, immer noch im Dienst war. Wie eh und je schwang ihr Messingpendel hin und her. Gänsehaut breitete sich an seinen Körper aus, wenn er daran dachte, wie ihr tiefer Gong durch die Flure gehallt hatte.

Ein altbekanntes mulmiges Gefühl im Magen, folgte Herr von Isenborth der herrschaftlichen Treppe hinauf in den ersten Stock. Eigentlich sollte er das Gemach seines Vaters für die Nacht beziehen, immerhin war nun er der Herr des Hauses. Aber zuerst wollte er herausfinden, was sein werter Vater aus seinem alten Zimmer gemacht hatte.

Die Dielen knarrten unter seinen Füßen. Ob es wohl noch immer so aussah wie damals, als seine Mutter und er das Schloss verlassen hatten?

Die Tür zumindest war nicht repariert worden, dachte er kopfschüttelnd. Bei einem seiner Wutanfälle hatte er sie gewaltsam zugeschlagen und dabei ein Scharnier ruiniert. Um die Tür überhaupt öffnen zu können, musste er sie leicht anheben.

Als er sein altes Zimmer betrat, schluckte er schwer. Sein Bett, der kleine Tisch vor dem Fenster und das Regal mit seinen Spielsachen sahen genau so aus, wie er sie zurückgelassen hatte. Selbst seine Wäsche lag fein säuberlich zusammengelegt auf der Matratze.

Herr von Isenborth trat an das Fenster. Zäher Nebel waberte vom nahegelegenen Tannenwald zum Schloss herauf. Langsam, aber unaufhaltsam verschluckte er den Park.

Ein lauer Windhauch ließ ihn frösteln. Mit einem Mal fühlte er sich ein bisschen wie in einem dieser schlechten Horrorfilme, in denen der Hauptdarsteller von einem Poltergeist verfolgt wird.

„So ein Unfug!“, blaffte er. Und dennoch glitten seine Hände wie von selbst zum Lichtschalter.

Klack … klack … klack …

Erschrocken riss er den Kopf in den Nacken. Was zum Geier ging hier vor sich!? Neben der schwach leuchtenden Hängelampe war ein tiefroter glänzender Fleck zu erkennen. ‚BLUT!‘, schoss es ihm in den Kopf …

 

Wir sehen uns Morgen. Vielleicht …

schaurige Träume

Kera & Robert

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